Hallo Nicki,Nicki hat geschrieben:Frage Warum sollte ein Kind was noch nicht zur schule geht zaehlen koennen?
ich nehme mal an, dass sich künftig die Ansichten darüber, was für ein Kind in einem bestimmten Alter "normal" ist, noch weiter auseinander bewegen werden. Das liegt an der Diversität der häuslichen Umstände, mit denen Kinder in Deutschland konfrontiert sind. In anderen Ländern wird die (vor-)schulische Bildung schon wesentlich früher über die Kinder gestülpt. Zugleich bestimmt in unseren Nachbarländern die Schulumgebung einen größeren Teil des Tages. Dadurch erlebt man dort möglicherweise kleinere Diskrepanzen im altersbedingten Vorwissen.
Die "école maternelle" wird zuweilen als "Kindergarten" übersetzt. Doch das Etikett passt nicht. Der Charakter von "spielendem Lernen" hat hier einen weitaus größeren Touch zur Schulumgebung. Normalerweise werden Kinder aufgenommen, die keine Windeln mehr brauchen. Also sind es Zwei- bis Dreijährige, die mit dieser Schulform beginnen. Dies ist ein Alter, in dem sehr viele kritische Zeitfenster existieren, die im Alter von sechs Jahren schon wieder zu sind. Dazu gehören das Assimilieren mehrerer Sprachen, das Herausbilden der Lernnetzwerke und das Etablieren des Motivationskreislaufs aus Neugier, Versuch und Erfolg (operantes Lernen). Allerdings scheiden sich bezüglich der école maternelle in den einzelnen Ländern auch die Geister. In Frankreich wird gerade diskutiert, wie man den Lerndruck auf die Kleinsten wieder reduzieren kann.
http://www.kindergartenpaedagogik.de/946.html
In Deutschland ist es ein Glücksspiel, ob diese offen stehenden Zeitfenster bei einem Kind bedient werden - oder eben nicht. In vielen Kindergärten wird zwar der Spieltrieb befriedigt, aber andere Aspekte der Gehirnentwicklung aus Personalnot oder Unkenntnis vernachlässigt. In dem verlinkten Beispiel wird deutlich, dass es in anderen Ländern "normal" ist, dass ein fünfjähriges Kind ansatzweise lesen, schreiben und rechnen kann.
Im Vergleich zu unseren Nachbarländern begegnet ein deutsches Kind den Lernvorgängen etwa drei Jahre später, sofern der Kindergarten keine aktive Förderung auf dem Programm stehen hatte. Vielen Schulkindern fällt die Konzentration und die Geduld mit dem Lernen schwer, weil diese Mechanismen nicht in der richtigen Zeit etabliert wurden. Solche Kinder, deren Eltern ein unverkrampftes Verhältnis zum frühen Lernen pflegen, räumen den Kindern eine höhere Chance zu einem gesunden Schulerfolg ein. Was diesen oft wieder zunichte macht, ist das Auseinanderklaffen der Vorbildung deutscher ABC-Schützen, was einen Unterricht auf befriedigendem Niveau ausschließt. Da kein Geld für eine adequate Bildung im Kindergarten vorhanden ist, müsste eigentlich die Diversität der Kinder in der Grundschule durch höhere Investitionen - zum Beispiel durch Doppeltutorenschaft - aufgefangen werden. Aber dafür ist natürlich auch kein Geld vorhanden. Und so wird der Mangel an vorschulischer Bildung den Kindern als schwere Bürde mit auf den Schulweg gegeben...
Viele Grüße von Neckri