Du sprichst mir aus der Seele, Rabaukenmama ...
Denn genau solche Situationen sind es, bei denen ich auch regelmäßig total hilflos bin, weil ich entweder kein eindeutiges Bauchgefühl habe bzw. weil wertschätzende Kommunikation mit Kindern in sehr vielen Fällen nicht so funktioniert wie mit Erwachsenen. Und einer der Hauptgründe ist, dass Erwachsene nicht ständig im Umgang miteinander ihre Grenzen austesten ... Zumindest nicht die, die einem nahe stehen und die man sich als Freunde aussucht.
Das Getrödel kenne ich von meinem Großen nur zu gut ... Allerdings habe ich an Schultagen den Bonus, dass er panische Angst davor hat, zu spät in die Schule zu kommen und sich zu blamieren. Bei anderen Gelegenheiten (z. B. wenn wir einen Bus erwischen müssen, um zu einer Freundin zu fahren), wo es pressiert, muss ich JEDES MAL laut werden, damit ich mit allen dreien pünktlich aus der Tür komme. Und es gibt jedes Mal eine Hetze, egal wie früh ich mit dem Weggehen anfange ... Und er hasst sich immer wieder selbst dafür, dass er so eine Trantüte ist ...
In manchen Fällen ist es sicher falsch, mit einem Kleinkind über alles in derselben Weise zu diskutieren, wie mit einem Erwachsenen. Bestimmte Dinge kann ein Dreijähriger nicht selbst entscheiden. Wenn ich Gespräche höre wie "Möchtest du heute Nudeln, oder Reis, oder doch lieber Kartoffeln, oder vielleicht Fisch, oder ...", dann denke ich mir, das überfordert so einen Zwerg. Zwei Sachen zur Wahl ja, aber zu viel Auswahl funktioniert nicht.
Bei der Frage nach dem Selbermachen braucht man ein gutes Bauchgefühl (und viel Zeit und Geduld ...).
Und manche Sachen werden tatsächlich nicht diskutiert. (Z. B. ob man sich im Auto anschnallt.)
Das mit der gleichberechtigten Kommunikation fand ich sehr nachdenkenswert beim Thema Ankunft eines kleinen Geschwisterchens. Da gibt es doch diese augenzwinkernd gemeinte Idee, man solle sich mal vorstellen, der Partner käme eines Tages mit einer neuen Frau nach Hause und würde sagen: "So, schau mal Schatz, das ist die Andrea. Die gehört ab heute auch zur Familie. Sie wohnt mit in deinem Zimmer, darf bei Papa im Bett schlafen oder mit ihm kuscheln, wenn sie das möchte, und du musst alles mit ihr teilen. Papa hat sie genauso lieb wie dich, und wir müssen uns jetzt alle ganz viel um sie kümmern."
Das fand ich unglaublich treffend, um sich in so einen Zwerg reinzuversetzen.
In manchen Dingen gehen mir bestimmte Pädagogen, die die kindliche Selbstbestimmung verfechten, auch zu weit. Vielleicht bin ich da auch zu spießig. So sehr ich Jesper Juul mag, aber die Entscheidung, wann sie schlafen gehen oder wann / was sie essen, treffen meine Kinder z. B. nicht uneingeschränkt selbst.
Natürlich zwinge ich niemandem zum Essen, aber es gibt gemeinsame Familienmahlzeiten, und es gibt nicht immer nur Lieblingsgerichte (in denen oft recht wenig Gemüse vorkommt ...). Und vor allem der Kleine braucht seinen Rhythmus in Sachen Schlaf, und den geben wir (nach seinem Bedürfnis) vor. Auf die Frage "möchtest du jetzt schlafen gehen?" höre ich nie ein "ja" - trotzdem geht er immer gern ins Bett und schläft sofort ein.
Unser Berater in der begabungspsychologischen Stelle der LMU empfiehlt ja auch die wertschätzende Kommunikation auf der Gefühlsebene, was ich in vielen Fällen auch sehr überzeugend finde. Aber wenn ich zu meiner Tochter sage, dass ich besorgt bin, weil ihr Zimmer unordentlich ist, da sie so ihre Sachen nicht findet / keine Ordnung lernt / ich nicht saugen kann und dadurch ihre Allergie schlimmer wird, und sie antwortet mir, ich brauche mich nicht zu sorgen, weil es ja ihr Chaos / ihre Allergie sei und sie damit schon zurecht komme, dann muss sie konsequenterweise nie aufräumen ... Der Berater sieht das auch so und meint ganz knallhart, wenn ich meinem Kind sage, dass mich sein Verhalten enttäuscht / verletzt und dem Kind ist das aber egal, weil ihm die Beziehung zu mir (vorübergehend) egal ist, dann kann ich eben nichts machen. Wenn ich dem Kind dann nämlich meinen Willen trotzdem aufzwinge, mache ich die Beziehung noch mehr kaputt, und sie wird dem Kind in Zukunft noch egaler ...
Da merke ich dann schon, dass ich mit meinem Weg (= eher zu viel diskutieren) die bessere Beziehung zu meinen Kindern habe. Ich habe zwar viel mehr "Zoff" mit ihnen und bin wegen des verletzenden Verhaltens meiner Tochter auch schon hin und wieder in Tränen ausgebrochen - dennoch vertrauen mir beide Großen mehr, und meine Tochter entschuldigt sich eigentlich immer, wenn sie merkt, dass sie eindeutig übers Ziel hinausgeschossen ist.
Andererseits hat mein Mann mit den Kindern nie große Probleme. Er unternimmt öfter etwas mit ihnen, und da benehmen sie sich immer besser und verursachen weniger peinlichen Ärger als mit mir. Sie betteln ihn auch nicht ständig an, ihnen etwas zu kaufen oder so, weil er das einfach niemals tut. Ich möchte aber nicht so streng sein, also muss ich die Folgen tragen. Vermutlich war es bei mir zu Hause ähnlich verteilt, und man lebt wieder dieselben Muster, die man als Kind kannte.
Es hat übrigens Jahre gedauert, bis ich mir darüber klar geworden bin, warum mein Mann und ich erziehungstechnisch oft Reibereien haben ... Und angefangen haben die, als der Älteste so zwei Jahre wurde. Inzwischen haben wir sie aber ganz gut im Griff - doch gerade die bei ihm fehlende Geschwistererfahrung tritt immer wieder zutage. Und ich erinnere mich dann oft, dass meine Schwester und ich uns genauso provokant verhalten haben und kann trotzdem nicht erklären, warum eigentlich
